Urheberrecht und Bildung
Viele Lehrerinnen und Lehrer wünschen sich einen offenen Umgang mit Lehrwerken und digitalen Bildungsmedien. Sie möchten die Inhalte in eigene Lernumgebungen einstellen, in selbsterstellte Materialien einbinden oder in Erklärvideos integrieren. Immer wieder heißt es, das Urheberrecht verhindere einen freien und einfachen Umgang mit professionellen Bildungsmedien. Das Gegenteil ist der Fall.
Tatsächlich ist es so, dass durch die Digitalisierung neue, zusätzliche Herausforderungen für das Urheberrecht entstehen: Inhalte können ohne jeglichen Aufwand digital kopiert, verändert, kombiniert, in neue Materialien eingebunden und mit anderen Nutzern geteilt werden. Anders als bei gedruckten Werken wird es möglich, multimediale, interaktive Angebote zu entwickeln, die Texte, Audios, Videos, Filme, Animationen, Spiele und viele andere Materialformen miteinander verbinden. Das geschieht teils mit einem sehr hohen technischen und wirtschaftlichen Aufwand. Je digitaler und multimedialer die Erstellung und Verbreitung von Medien wird, desto wichtiger ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Autoren und Verlagen die Entwicklung neuer Produkte und zukunftsfähiger Geschäftsmodelle ermöglichen. Diese Innovationen zur Weiterentwicklung digitaler Lerninhalten und -medien trägt erheblich zu einem sicheren, umfassenden und lehrplankonformen Medienangebot für das Lernen in der Schule bei. Diese Medien sind rechtssicher im Unterricht einsetzbar und bieten vielfach auch Möglichkeiten für individuelle Anpassungen und Veränderungen.
Urheberrecht? Sicher!
Rechtssicherheit ist dabei ein wichtiges Stichwort für alle Beteiligten: Lehrerinnen und Lehrer müssen sich darauf verlassen können, dass Texte, Bilder, Audios, Videos etc., die sie in der Schule einsetzen wollen, rechtlich abgesichert sind und genau in dem Rahmen, den sie im Alltag benötigen, auch verwendet werden können. Verlage und Medienentwickler benötigen verlässliche, rechtliche Grundlagen, damit sie stabile und langfristig einsetzbare Medienformate entwickeln, produzieren und anbieten können. Autorinnen und Autoren steht wie allen Urheberinnen und Urhebern eine angemessene Vergütung für ihre kreativen Leistungen zu.
Um also die Schule, Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler mit qualitativ hochwertige Bildungsmedien versorgen zu können, bedarf es eines wirksamen Schutzes des geistigen Eigentums, so wie das Grundgesetz (Art. 14) ihn vorsieht. Ein eindeutiges und klar geregeltes Urheberrecht stellt sicher, dass Autoren und Verlage eine leistungsgerechte Vergütung erhalten. Nur so kann auch der ökonomische Anreiz, qualitätsgesicherte und rechtssichere Bildungsmedien herzustellen, aufrechterhalten werden. In diesem Zusammenhang muss auch die missbräuchliche Nutzung geschaffener Inhalte und Werke verhindert werden.
Grundverständnis:
Der Zugang aller Menschen zu Bildung und Wissenschaft ist unabdingbar für das Wohlergehen einer Gesellschaft und deren auf Wissensmehrung basierende Weiterentwicklung.
Bei der Gewährung dieses Zugangs müssen die Rechte derjenigen, die Bildungsinhalte originär schaffen, herstellen und vertreiben, jederzeit und umfassend gewahrt bleiben.
Hier kommt dem Gesetzgeber eine zentrale Aufgabe zu.
Die Entwicklung qualitativ hochwertiger Bildungsinhalte und -medien basiert auf der schöpferischen, intellektuellen und wirtschaftlichen Leistung und Kooperation verschiedener Akteur/-innen. Das Urheberrecht muss die Basis für eine leistungsgerechte Bezahlung dieser Akteur/‑innen durch Honorare oder Vergütungen schaffen.
Generative KI und Urheberrecht
Generative KI betrifft Urheberinnen und Urheber sowie ausübende Künstlerinnen und Künstler in ganz erheblicher, teilweise existenzbedrohender Weise. Ähnliches gilt für sonstige Rechtsinhaber wie Verlage. Der Deutsche Kulturrat hat deshalb in einer Stellungnahme vom 13. Januar 2025 eine umfassende rechtspolitische Diskussion der offenen urheberrechtlichen Fragen gefordert:
Der Gesetzgeber soll darauf achten, dass ein Ausgleich der Interessen aller Beteiligten gefunden wird und insbesondere die Interessen der Urheberinnen und Urheber, ausübenden Künstlerinnen und Künstler sowie aller sonstigen Rechtsinhaber berücksichtigt werden. Das betrifft beispielsweise das kommerzielle Text und Data Mining, die Lizenzierung sowohl des Input als auch des Output oder die Frage nach Transparenz- und Kennzeichnungspflichten.
Der Verband Bildungsmedien e. V. hat im Fachausschuss Urheberrecht des Deutschen Kulturrats an der Stellungnahme mitgearbeitet. Denn die Nutzung generativer KI bietet Chancen und Risiken auch für die Anbieter von Bildungsmedien, Bildungssoftware und Online-Angeboten.
Stellungnahme des Deutschen Kulturrats
zu urheberrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz vom 13. Januar 2025
Kopieren aus Unterrichtswerken

Scannen & Kopieren in der Schule
Um Lehrkräften digitale und analoge Kopien zu ermöglichen, gibt es praxisnahe und einfache Regelungen.
UrhWissG
Das Gesetz zur „Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (UrhWissG)“ regelt die gesetzlichen Nutzungserlaubnisse für Schulen, Universitäten und andere Bildungseinrichtungen. Danach dürfen urheberrechtlich geschützte Werke für Unterrichts- und Forschungszwecke in erheblich erweitertem Umfang frei genutzt werden. Unter anderem dürfen an Bildungseinrichtungen (z. B. Schulen, Volkshochschulen und Hochschulen) zur Veranschaulichung des Unterrichts „bis zu 15 Prozent eines veröffentlichten Werkes vervielfältigt, verbreitet, öffentlich zugänglich gemacht und in sonstiger Weise öffentlich wiedergegeben“ werden. Eine Vergütung erhalten die Hersteller dieser Werke ausschließlich über die Beteiligung an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften.
Bereichsausnahme
Werke, die ausschließlich für den Unterricht an Schulen bestimmt sind, sind von dieser Regelung (Bereichsausnahme für Unterrichtswerke an Schulen) ausgenommen worden. Anders als z. B. im Bereich der Belletristik gibt es für Lehr- und Lernmedien keine anderen Vermarktungsmöglichkeiten (z. B. Verfilmung, Auslandsgeschäft). Der Schul- bzw. Hochschulmarkt stellt für Bildungsmedienverlage den einzigen Markt – den so genannten Primärmarkt – dar.
Fotokopiervertrag
Werke für den Unterrichtsgebrauch an Schulen dürfen nur mit Einwilligung des Berechtigten vervielfältigt werden. Analoge oder digitale Kopien aus Schulbüchern ohne Erlaubnis der Verlage sind deshalb nicht erlaubt. Um den Lehrkräften dennoch digitale und analoge Kopien zu ermöglichen, haben die Bundesländer mit den Verwertungsgesellschaften WORT, Bild-Kunst und Musikedition sowie den Bildungsmedienverlagen einen so genannten „Fotokopiervertrag“ – den Gesamtvertrag „Vervielfältigungen an Schulen“ – geschlossen. Der Vertrag läuft vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2027. Er enthält Regelungen für Lehrkräfte an öffentlichen (staatlichen oder kommunalen) sowie an privaten Schulen im Sinne der Schulgesetze der Länder sowie an den Schulen des Gesundheitswesens.
Rechtsposition und Beteiligungsansprüche der Verlage
Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur „Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts“, welches am 7. Juni 2021 bzw. 1. August 2021 (UrhDag) in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber die europäische Richtlinie für einen einheitlichen digitalen Markt (DSM-Richtline) in nationales Recht umgesetzt.
Durch die erfolgten Änderungen § 63a UrhG und § 27b VGG haben Verleger wieder einen gesetzlichen Beteiligungsanspruch an den Einnahmen aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen. Ein Ausschluss dieser Beteiligung ist nicht möglich, sie ist jedoch auf maximal ein Drittel des Beteiligungsanspruchs beschränkt. Die Neuregelung gilt ab dem 7. Juni 2021, sodass die Verlage seit 2022 wieder regelmäßige Ausschüttungen für gesetzliche Vergütungsansprüche erhalten.
Eine eigene Rechtsposition der Verlage wurde nicht in das Gesetz implementiert. Gerade vor dem Hintergrund der hohen Investitionen und konzeptionellen Entwicklungen im Rahmen der digitalen Transformation im Verlagswesen generell, besonders aber bei Bildungsmedien- und Wissenschaftsverlagen wird sie aber immer dringlicher.
Um auch in Zukunft die Entwicklung bestmöglicher digitaler Bildungsmedien und die Investitionen der Verlage und Anbieter sicherzustellen und zu schützen, müssen vor allem auch die digitalen Angebote durch ein passgenaues Urheberrecht geschützt werden. Die Ausnahmen von den gesetzlichen Erlaubnissen für Bildung und Wissenschaft für Schulbücher und Unterrichtsmaterialien müssen daher unbedingt auch für digitale Werke beibehalten werden.
Warum ein Verlagsrecht als eine eigene Rechtsposition für Verlage notwendig ist:
-
Verlegerische Leistungen finden, anders als die Leistungen von Tonträgerherstellern oder Filmproduzenten, im Urheberrechtsgesetz bislang keine Anerkennung.
-
Erlösansprüche der Verlage und Medienanbieter, die aus den Ansprüchen der Urheber und Urheberinnen abgeleitet werden, bieten unnötiges Konfliktpotential.
-
Auch Verlagsleistungen an einem veröffentlichten Werk ohne Urheber mit eigener Rechtsposition (Autor/‑in unbekannt, Urheberrecht des Autors/der Autorin bereits erloschen etc.), sind schützenswert.
-
Für mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz hergestellten Werke besteht kein Urheberrechtsschutz. Damit in diesem Bereich auch weiterhin investiert werden kann, muss diese Schutzlücke zugunsten der Hersteller dieser Werke geschlossen werden.
-
Nur durch eine eigene Rechtsposition können die Qualität der Lerninhalte und die Innovationsfähigkeit der Bildungsmedienverlage gewahrt bleiben.
Die Initiative Verlegerrecht
Die Initiative Verlegerrecht will den digitalen Wandel in der Verlagswelt aktiv gestalten. Vor allem die Veranstaltungsreihe „Was Verlage leisten – Die Zukunft des Verlegens“ soll innerhalb und außerhalb der Verlagswelt Impulse, Anregungen und Denkanstöße zur Gestaltung künftiger Rahmenbedingungen verlegerischer Aktivitäten setzen.
Entscheidungen für ein zukunftssicheres Urheberrecht
Die Politik sollte den Verlagen umgehend eine eigene Rechtsposition im Urheberrecht verschaffen und die Beteiligung an gesetzlich verankerten Vergütungsansprüchen durch ein Verlegerrecht sichern.
Dabei sollten Ausnahmen von den gesetzlichen Erlaubnissen für Bildung und Wissenschaft für Schulbücher und Unterrichtsmaterialien beibehalten und diese auch für Werke für die akademische Lehre und der Erwachsenenbildung vorgesehen werden.
Sie sollte für Verlage und Autor/-innen nutzungsbezogene, markt- und aufwandsgerechte Vergütungen als angemessenen Ausgleich für erbrachte Leistungen ermöglichen – dies ist gerade im digitalen Zeitalter existentiell.
Das betrifft auch die Nutzung von Generativer Künstlicher Intelligenz, zum Beispiel beim kommerziellen Text und Data Mining, bei der Lizenzierung von In- bzw. Output oder bei den Transparenz- und Kennzeichnungspflichten.