Demokratische Bildung


Unsere Gesellschaft ist vielfältig – in kultureller, religiöser und ethnischer Hinsicht. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Schülerschaften, in den allgemeinbildenden Schulen und weiterführenden Bildungseinrichtungen unseres Landes wider.

Dabei birgt die Vielfalt im Klassenzimmer viele Chancen, bringt zugleich aber auch wichtige Herausforderungen mit sich. Der Umgang mit sprachliche Hürden, religiösen Konflikte und Klischeevorstellungen, Vorurteile gegen sexuelle Orientierungen sind Themen des schulischen wie gesellschaftlichen Miteinanders. Hinzukommt der steigende soziale Unterschied der Lernenden. Für die Lehrenden heißt das, neben ihrer Aufgabe zur Wissensvermittlung auch Erziehungs- und Bildungsarbeit zu leisten.

Gleichzeitig sehen wir, wie die wachsende Zustimmung zu links- oder rechtspopulistischen Bestrebungen in Europa unsere demokratische Grundordnung unter Druck setzt. Auch Schulen geraten hier in das Spannungsfeld zwischen wachsender politischer Polarisierung und zunehmender Radikalisierung. Zudem wird religiöser und politischer Extremismus in den Schulen immer wieder zu einem Problem.

Im Hinblick auf diese Entwicklungen wächst dem übergeordneten Ziel von Bildung, - Kinder, Jugendliche sowie Erwachsene - zur gesellschaftlichen Teilhabe zu ermutigen, Werte wie Toleranz und Achtung vor dem Anderen zu vermitteln und Möglichkeiten zur Partizipation wahrzunehmen, eine verstärkte Bedeutung zu. Ohne Zweifel haben Bildungseinrichtungen - von der frühkindlichen Bildung über Vorschulen und allgemeinbildende sowie berufsbildende Schulen bis hin zu Einrichtungen der Erwachsenenbildung - einen pädagogisch bildenden Auftrag im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und pluralistischen Meinungsbildung.

In der Politik werden Stimmen lauter, die Demokratieerziehung in den Schulen zu stärken. Die damalige Bundes­familien­ministerin Franziska Giffey (SPD) forderte 2018 ein Gesetz zur Förderung der Demokratie, welches auch auf die demokratische Bildung junger Menschen abzielt. Dabei kommt der Arbeit gegen Antisemitismus und Rassismus eine besondere Bedeutung zu.

Im selben Jahr hat die Kultusminister­konferenz mit dem Beschluss „Demokratie als Ziel, Gegenstand und Praxis historisch-politischer Bildung und Erziehung in der Schule“ vom 11. Oktober 2018 ihre bisherigen Empfehlungen zur Demokratie und zu den Menschenrechten aus dem Jahr 2009 aktualisiert und in den Zusammenhang weiterer Beschlüsse zur historisch-politischen Bildung gestellt.

Schulstatistik 2023/2024


­Von den rund 11,2 Millionen Schülerinnen und Schülern in Deutschland haben 1,7 Millionen eine ausländische Staats­angehörigkeit. 


Bildungsmedien und demokratische Bildung

Aus Sicht der im Verband Bildungsmedien e. V. organisierten Bildungsmedienverlage ist die Demokratie­erziehung eine zentrale pädagogische Aufgabe. Im Zentrum der Demokratiebildung an Schulen steht daher, die Lernenden auf das gesellschaftliche Miteinander vorzubereiten, sie dabei zu unterstützen, politische Problemstellungen einordnen und beurteilen zu können sowie ihnen ein offenes Weltbild zu vermitteln.

Dabei kommt den entsprechenden Bildungsmedien – ob digital oder analog – ein hoher Stellenwert zu. Die Bildungsmedien­verlage entwickeln aktuelle, didaktisch und pädagogisch passgenaue Lern- und Lehrinhalte, die mit den im Grundgesetz und in den jeweiligen Schulgesetzen der Bundesländer vorgegebenen Unterrichts- und Bildungszielen übereinstimmen. Unabhängig von Schulform und Jahrgangstufe unterstützen Bildungsmedien den pädagogischen Auftrag von Schulen und Lehrkräften, indem sie didaktische Hilfestellung geben, gezielt Multiperspektivität fördern und rassistische und antisemitische Klischees aufzeigen. 

Professionelle Bildungsmedien stellen Religionen und Weltanschauungen differenziert dar, vermitteln aktuelle Bilder des Zusammenlebens, thematisieren Mehrsprachigkeit als Kompetenz und zeigen gesellschafts­politisches Miteinander sowie Perspektiven gemeinsamer Zukunftsgestaltung auf. Damit helfen sie zum einen den Lernenden, sich mit den Themen kritisch auseinanderzusetzen, und unterstützen zum anderen die Lehrkräfte beim sensiblen Umgang mit diesen Materialien und bei deren Kontextualisierung.

Zugleich ist es unser Selbstverständnis, individuelle Bildungsbiographien mitzugestalten und junge Menschen zu befähigen, an gesellschaftlichen und demokratischen Prozessen teilzunehmen – unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Religion. Dabei verstehen sich die Bildungsmedienverlage als Partner der Politik, der Lehrenden sowie der Lernenden und Eltern. Die Verlage nehmen aktiv teil am gemeinsamen Dialog im Interesse von Demokratie­bildung und antirassistischer Bildungsarbeit.

Bei der Entwicklung von Bildungsmedien folgen die Verlage grundsätzlich dem Beutelsbacher Konsens. Demnach halten sich Bildungsmedien strikt an das Indoktrinationsverbot, stellen kontroverse Themen ausgewogen dar und befähigen Schüler und Schülerinnen, selbständig Entscheidungen treffen zu können.

Der Beutelsbacher Konsens

Der Beutelsbacher Konsens wurde in den 1970er Jahren für die politische Bildung formuliert und ist ein Minimalkonsens mit Regeln für die pädagogische Praxis, die unter einem öffentlichen Auftrag steht. Er beinhaltet:

Überwältigungsverbot

Lehrkräfte dürfen ihren Schülerinnen und Schülern nicht ihre Meinung aufdrängen.

Kontroversitätsgebot

Lehrerinnen und Lehrer haben Themen ausgewogen darzustellen.

Schülerorientierung

Sie sollen so handeln, dass ihre Schüler/-innen selbstständig Entscheidungen treffen.

Des Weiteren übersetzen die Verlage die bildungspolitischen Vorgaben der Politik in konkret nutzbare Unterrichtseinheiten und Lernprozesse. Demokratiebildung sowie Gleichberechtigung, Religion und Diversität finden über die Lehrpläne der Bundesländer Eingang in die Bildungsmedien. Diese schreiben fest, wie viele Wochenstunden für diese Themen aufzuwenden sind, setzen unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte und sind Grundlage für den thematischen Zuschnitt und Aufbau der Bildungsmedien. In ihren jeweiligen Themeneinheiten werden dann Themen wie Parlamentarismus und Rechtsstaatlichkeit, aber auch Extremismus, Antisemitismus und Rassismus didaktisch aufbereitet und es so Lernenden ermöglicht, eine kritische Urteilskompetenz zu entwickeln.

Grundwerte der Bildung

Schulische Bildung ist grundlegendes Lernen, um junge Menschen mit den erforderlichen Kompetenzen für das Leben und Arbeiten in einer Welt komplexer Vorgänge und großer Anforderungen zur Gestaltung künftiger Wirtschafts- und Arbeitsprozesse sowie zur Lösung globaler Probleme zu befähigen. In diesem Sinne erfordern Lehr-, Lern- und Unterrichtskonzepte Grundwerte und Grundlagen, die auf einen langfristigen, lebensbegleitenden Wissens- und Kompetenzzuwachs angelegt sind. Damit einher gehen Fragen nach Grundwerten gesellschaftlichen Zusammenlebens, einer Gesellschaft, die verschiedene politische Einstellungen, diverse Lebensentwürfe, verschiedene Religionen und ethische Anschauungen einbinden und verbinden muss.

Das Thema Grundwerte steht aber auch in Bezug zu digitalen Entwicklungen und erfordert eine beständige Verortung, in welchem Verhältnis Gesellschaft und Individuen mit der Aggregation von Daten im Allgemeinen, persönlichen Daten im Besonderen umgehen wollen, welche Rolle und Macht Algorithmen und künstliche Intelligenz einnehmen sollen – womit es auch um so genannte Dominanzen im Verhältnis von Mensch und Maschine geht. Digitalität in allen bestehenden und zukünftigen Facetten ist nicht Selbstzweck und hat kein Eigendasein, sondern ist Mittel und Werkzeug zur Gestaltung von Prozessen. Dies gilt für Industrien und Dienstleistungen ebenso wie für das Lehren und Lernen. Bei der weiteren Entwicklung von Lehrplänen, Unterrichtsanforderungen und Bildungsmedien spielt nicht allein die Definition von Medienkompetenzen eine Rolle, sondern es sind zuvor Grundwerte für das Lehren und Lernen in digitalen Umgebungen zu diskutieren und zu bestimmen, was sicherlich im Zusammenhang gesamtgesellschaftlicher Debatten geschehen wird.

Die Grundwerte unserer Gesellschaft basieren auf Anerkennung der Menschenwürde und der Freiheit des Menschen – was auch immer mit der Verantwortung des Einzelnen verbunden ist. Diese Verantwortung ist ein wesentlicher Bestandteil für die pädagogischen Freiräume, die für alle Lehrenden bestehen und aus denen heraus sie ihren Unterricht und das Lernen entwickeln.

Vielfalt in Bildungsmedien

Bildungsmedien stellen Vielfalt dar: Die Unterschiedlichkeit der Lernenden – bezogen auf Geschlecht, sozialen Status, Kultur und Religion sowie im Hinblick auf individuelle Potenziale und Begabungen – findet Einzug in Lern- und Lehrinhalte und wird als Chance begriffen. So kann ein gleichberechtigtes Unterrichtsumfeld entstehen, in dem Vorurteile abgebaut werden.

Gleichzeitig unterliegen professionelle Bildungsmedien einer strengen Qualitätskontrolle. Anspruchsvolle Qualitätsstandards der Verlage sowie eine Kontrolle der Materialien innerhalb der Zulassungsverfahren der Bundesländer sollen sicherstellen, dass Bildungsmedien den oben genannten Grundsätzen nicht widersprechen. Am Ende entscheidet jedoch die Lehrkraft ganz alleine, welche Unterrichtsmaterialien sie einsetzten möchte.

Neben den curricularen Vorgaben der Länder nehmen die Bildungsmedienverlage ihre eigene gesell­schaft­liche Verantwortung als gestaltende Akteure des Bildungswesens wahr. In einer sich stetig wandelnden Gesellschaft müssen auch Bildungsmedien fortlaufend weiterentwickelt und an neue gesellschaftliche Anforderungen angepasst werden.

In der Gemeinsamen Erklärung der Kultusministerkonferenz, der Organisation von Menschen mit Migrations­hintergrund und der Bildungsmedienverlage „Darstellung von kultureller Vielfalt, Integration und Migration in Bildungsmedien“ von 2015 verpflichten sich die Bildungsmedienverlage in Text und Bild zu einer differenzierten Darstellung von Lebenswirklichkeiten unter Beachtung der Rahmenvorgaben, Fachdidaktiken und Fach­wissenschaften.

Die eigenen Redaktions- und Autorenteams der Verlage sollen mit Hilfe von wissenschaftlichen Studien, Analysen und Workshops für eine multiperspektivische Darstellung von Diversität und Vielfalt sensibilisiert werden und dabei ihre eigenen Positionen weiterentwickeln. Gleichzeitig unterstützen die Verlage die Einbeziehung von Expertinnen und Experten und stehen in einem regelmäßigen Dialog mit religiösen, kulturellen und sozialen Gruppen.

Dieses erfordert auch einen selbstkritischen Umgang mit den eigenen Werken.

Hinterfragen von histo­rischen und sozio­ökonomischen Kontexten sowie eurozentrischen Sichtweisen

Darstellung der Vielfalt der heutigen Einwanderungs­gesellschaft

Differenzierte Darstellung von Religionen und Weltanschauungen

Darstellung von Vorbildern mit der Ermöglichung einer positiven Identifizierung

Thematisierung von Mehrsprachigkeit als Kompetenz

Darstellung sexueller Vielfalt und verschiedener Lebensformen

Die Politik sollte ...

  • demokratische Bildung in den Lernplänen der Bundesländer verstärkt verankern und damit Lehrkräften die Möglichkeit geben, mehr Unterrichtsstunden auf diese Themen zu verwenden. Das impliziert auch die Bereitstellung von Budgets für die Herstellung und Anschaffung entsprechender Lern- und Lehrinhalte.

  • Demokratiepädagogik sowie politische Bildung – auch zur Auseinandersetzung mit antisemitischen und rassistischen Vorurteilen – verbindlich in die Aus- und Fortbildungen von Lehrkräften integrieren und gleichzeitig bundesländerübergreifende Standards setzen.

  • mit gezielten Förderprogrammen den Anteil von Lehrerinnen und Lehrern mit Migrations­hintergrund erhöhen. Denn die Vielfalt der Schülerschaft und Gesellschaft muss sich auch in Lehrerkollegien widerspiegeln.

  • ausreichend Mittel und Kapazitäten bereitstellen, um demokratische Bildung und Teilhabe aller flächendeckend zu ermöglichen. Im Vordergrund steht hier die Bereitstellung vorbereitender und begleitende Fortbildungen sowie die Absenkung der Lerngruppengrößen, um Lehrkräften eine individuellere Förderung ihrer Schüler zu ermöglichen.

  • Kooperationen zwischen Bildungswissenschaftlern, Bildungsverwaltungen, Pädagoginnen und Pädagogen, den Bildungsmedienverlagen sowie Demokratiewissenschaftlern gezielt unterstützen und fördern.